#209 Der Begriff "Gegenaufklärung" ist m.e. sogar gleich in vielerlei Hinsicht problematisch. Geschichtlich dient er bekanntlich als Bezeichnung der auf die Aufklärung folgende Romantikbewegung, darüber hinaus wird er jedoch vorwiegend polemisch verwendet, wobei jede Seite der jeweils anderen Gegenaufklärung vorhält, ähnlich wie es heute auch beim Begriff "Populismus" der Fall ist.
Manch einer möchte diesen Begriff auch synonym zum Konservatismus verwenden. Andere halten den Postmodernismus für eine gegenaufklärerische Bewegung, andere die Frankfurter Schule, andere wiederum gerade ihre Gegner.
Dabei kann man sich sogar fragen, ob der Begriff Gegenaufklärung auch hinsichtlich seiner ursprünglichen geschichtlichen Bedeutungszuweisung überhaupt richtig gewählt wurde, oder nicht bereits dort eher als Fehlbezeichnung zu sehen ist.
Die kritischen Betrachtungen und Einwände, die nach der Aufklärung erhoben wurden und gemeinhin unter Gegenaufklärung zusammengefasst werden sollen, richteten sich ja nicht wirklich gegen die Aufklärung selbst, also gegen die Emanzipation des Denkens, die Werte von Vernunft und Rationalität etc. , oder dessen Errungenschaften, sondern sie stellen z.B. darauf ab, dass auch das Gefühl und was sich weithin damit assoziieren lässt, daneben seinen Wert und seine Bedeutung haben und einen Platz daneben finden müssen, oder sie warnen vor einem Abdriften in einen amoralischen Utilitarismus, oder auch davor, dass selbst Vernunft und Rationalität zu destruktiven autoritären Strukturen führen und verkommen können, wenn sie zu bedingungslos und absolut eingefordert werden, oder sie wenden ein, dass über Industrialisierungs und Ökonomisierungsprozesse die Natur und dessen Erhaltung nicht vergessen werden dürfe etc.
Eine echte Gegnerschaft zur Aufklärung dürfte sich nur in wenigen Fällen unter alldem, was unter der Gegenaufklärung zusammengefaßt wird, finden lassen, es geht vor allem um wichtige Ergänzungen und präventive oder ggf. auch korrektive Einwände, diese nicht durch einen rigorosen Absolutismus zu pervertieren.
Um den Bogen wieder zu schließen, die Frage: Was haben diese Dinge nun mit der Debatte oben zu tun? Nicht wirklich viel, wie ich meine. Ich bin ohnehin der Auffassung, dass Aufklärungs-Gegenaufklärungsdebatten heutzutage in der Regel nicht wirklich etwas zu einer eigentlichen Inhaltlichen Betrachtung beitragen, sondern vielmehr geradezu davon wegführen.
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