Du hast sicher recht, dass Covid auch sehr stark die Nachfrage erhöht hat. Im Halbleitermarkt ist meiner Wahrnehmung nach etwas ähnliches passiert, wie in vielen anderen kapitalintensiven Industrien: Zum einen wurden während Covid von den Unternehmen die Investitionen gebremst wegen der unklaren Lage. Zum anderen wurde von den Konsumenten dann mehr nachgefragt. Mit der Folge, dass ein zu niedriges Angebot auf eine hohe Nachfrage traf, so dass es zu Supply Bottlenecks und starken Preiserhöhungen kam.
Da die Investitionszyklen so lang sind, wie du schreibst, kann es hier im Nachhinein leicht wieder zu einem Mismatch zwischen Angebot und Nachfrage kommen. Unternehmen müssen bereits Jahre vor der Realisierung der Nachfrage investieren. In der Vergangenheit hat das oft zu Schweinezyklen geführt: Gerade wenn die Nachfrage auf einem temporären Hoch war, wurden die Kapazitäten ausgebaut. Dann ging die Nachfrage runter und wenig später kam es zu einem Preisverfall. Daher wurde dann auf dem Boden der Nachfrage wiederum nicht genug investiert und so schoss der Preis später dann wieder enorm in die Höhe.
Dieser traditionelle Schweinezyklus im Halbleitermarkt wurde erstmals strukturell durch die Einführung von Smartphones etwas unterbrochen. Jenseits jeder konjunkturellen Zyklik wuchs der Markt hier teilweise so stark, dass die Nachfrage auch in "schwachen" Jahren gut war. Diese Zeit ist jetzt aber vorbei, da die Wachstumsdynamik für Smartphones ausgeschöpft ist. Wie gesagt hoffe ich, dass der neue Fokus von AT&S auf Server-Produkte dazu führen wird, dass man wieder so eine strukturelle Nachfragewelle reiten kann und sich dadurch von den Zyklen entkoppelt. (Übrigens auch von den saisonalen Zyklen: Während die PCBs für Apple viel stärker im Herbst/Winter nachgefragt werden, sind Verkäufe von IC Substraten vermutlich unabhängig von der Jahreszeit.)
Komplett ohne Risiken ist es in meinen Augen aber auch nicht. Nur mal ein Beispiel: vor Jahren hieß es, dass das autonome Fahren kurz bevor stehe. Seitdem ist diese Technologie nicht so richtig vom Fleck gekommen. Außer ein paar Robotaxis in klinisch sauberer Umgebung in Phoenix oder San Francisco ist nicht viel passiert. Zwar ist die Fahrassistenz stark gewachsen. Aber das eigentliche autonome Fahren nicht, und es erscheint unklar, wann es überhaupt kommt. Auch das Wachstum von IOT war bisher deutlich unter den Erwartungen. Irgendwie braucht man halt doch keinen Chip in der Klobürste mit Smartphoneanbindung.
Wir werden es sehen. Aber ich teile Deinen strukturellen Optimismus. Wenn es mal eine Rezession gibt, müssen wir das halt aussitzen.
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